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IM DICKICHT

DER NACHT

IN THE THICKET

OF THE NIGHT

SECTION IV

IV.1    Nächtliche Autofahrt  -  Nightly Car Drive

IV.2    Nachts ein Einsames Gedicht  -  At Night a Lonely Poem

IV.3    Nachts  -  At Night

IV.4    Ball of Fright

IV.5    Im Dickicht der Nacht  -  In the Thicket of the Night

IV.6    Nachtphantom  -  Night Phantom

IV.7    Brüsseler Fragmente  -  Brussels Fragments

 

​

NÄCHTLICHE AUTOFAHRT

Im Moment

Blutiges Wasser an der Scheibe

In meinen Augen

Gleißendes Kaltlicht

Dazwischen unendliche Traurigkeit.

 

Atem erstarrt zu Eis

Der Schleier des Winters

Außen und innen und überall

Keine Knospen wo ich auch hinsehe

Grau der Boden.

 

Mein Gesicht im Regen

Gigantischer Torbogen aus Trauerweiden

Äste wogen im Wind

Angestrahlt von weißem Neonlicht

Eingang zum Nichts denke ich.

 

Blätter streicheln mich

Materie pulsiert

Durchweichte Haut von Nässe

Seltsame Schattenkonturen auf feuchtem Asphalt

Mitunter tote Kaninchen.

​

(1983)

NIGHTLY

CAR DRIVE

For the moment

Bloody water at the windscreen

In my eyes

Blazing cold light

In between boundless sadness.

 

Breath congeals to ice

The veil of winter

Outside and inside and everywhere

No buds where ever I look

Grey the bottom.

 

My face in the rain

Gigantic archway made of weeping willows

Branches sway in the wind

Illuminated by white neon light

Entrance to nothingness I think.

 

Leaves caress me

Matter pulsates

Soppy skin from humidity

Bizarre shady contours upon moist asphalt

Now and then dead rabbits.

​

​

(1983)

NACHTS EIN EINSAMES GEDICHT

Nachts nagt die Einsamkeit mit

Messerscharfen Zähnen an meinem Herzen

Sie greift mit eiskalten Händen

An meinen Nacken bleischwer

Sinkt mein Kopf.

 

Nachts riecht die Luft nach Angst

Vergiftet mein Gehirn

Die Welt mit einem Moskitonetz zart verschleiert

Leuchtet nur vage und trüb

Mir zu.

 

Nachts bekommt meine Sehnsucht Flügel

Sie wachsen mit jeder Stunde

Damit will ich vorm Mitternachtsfirmament

Rauschen und kreisen und tanzen

Zu Dir.

 

Von weit zieht blutendes Gewölk auf

Vor der Leere des Jetzt

Vor dem Gestrüpp der Zeit

Vor dem Vakuum des Hier

Regnet beharrlich auf uns ein.

​

​

(1991)

AT NIGHT A LONELY POEM

By night solitude is gnawing

At my heart with knife-sharp teeth

With ice-cold hands it grasps

My neck heavy as lead

Sinks my head.

 

By night the air smells of angst

Poisons my brain

The world subtly veiled with a mosquito net

Gleams only vaguely and dimly

At me.

 

By night my desire acquires wings

They grow with every hour

With them, in front of the midnight firmament, I want to

Rush and circle and dance

To you.

 

From afar, bleeding clouds gather

In front of the emptiness of Now

In front of the maze of time

In front of the vacuum of Here.

Raining persistently upon us.

​

(1991)

NACHTS

Nachts wachsen die Haare nach innen und

Sticheln, mit pfeilhaften Spitzen, am Innersten der Sätze.

Nachts gärt ungewaschenes Blut in den Gefäßen und

Verdickt sich zu einem klebrigen Sud.

 

Nachs werden die Laken klamm und

Dünsten kaltgewordenen Schweiß tröpfchenweise aus.

Nachts legt sich Müdigkeit, bleiern und unheilbar, auf die Augen und

Paart sich mit schlafloser Angst.

 

Nachts sträuben sich die feinen hellen Härchen und

Rufen nach der Hand, die alles richtet.

Nachts wird mein Körper roh wie eine Wunde, und

Schreit, nach dem, der den Schmerz stillt.

 

Nachts geraten die Pfade der Gedanken zu Labyrinthen und

Werden erst wieder begehbar in der Morgendämmerung.

Nachts wird die Zeit spröde und

Bröckelt langsam in den Raum.

 

Nachs verliert sich jedweder Trost unter der Asche des Tages und

Findet sich wieder im Nichts.

Nachts klopfen die Zweifel lärmend an und

Stören die tags so zaghaft eroberte Harmonie.

 

Nachts spuckt die Erinnerung schwarze Galle und

Tränkt das Herz mit Bitterkeit.

Nachts bricht das Vergessen sein Schweigen und

Läßt die schlangenköpfige Erinnye frei.

 

Nachts besuchen mich zwei Engel, der eine

Füttert mich mit Salz, der andere

Träufelt Worte auf meine Zunge.

 

Nachts besuchen mich zwei Engel, der eine

Will mich ersticken sehen, der andere

Will mich hoffen machen.

​

(1991)

AT NIGHT

At night, all hairs grow inwards,

Stitching, with arrowy spikes, at the innermost phrases.

At night, unwashed blood broods in the vessels,

Thickening into a sticky brew.

 

At night, the sheets become damp,

Transpiring cold sweat drop by drop.

At night, fatigue, leaden and incurable, settles on the eyes,

Pairing with sleepless anxiety.

 

At night, the fine clear hairs ruffle up,

Screaming for the hand that fixes everything.

At night, my body becomes raw like a wound,

Screaming for the one soothing the pain.

 

At night, the paths of thoughts turn into labyrinths,

Becoming walkable again only at dawn.

At night, time becomes brittle,

Crumbling slowly into space.

 

At night, any consolation gets lost under the ashes of the day,

Turning up again in nothingness.

At night, doubts come violently knocking,

Disturbing the harmony so timidly conquered during the day.

 

At night, remembrance spits black gall,

Soaking the heart in bitterness.

At night, oblivion breaks its silence,

Releasing the serpent-headed Erinye.

 

At night, two angels come to visit me, one

Feeds me with salt, the other

Dribbles words on my tongue.

 

At night, two angels come to visit me, one

Wants to see me suffocate, the other

Wants to make me hope.

​

​

(1991)

BALL OF FRIGHT

I inhabit a ball of fright

Words tremble in its

Foggy tin-white curves.

 

They attack the very centre

Cascades of letters in

Three languages oh I’m smart.

 

That cotton wool thing’s

Moving through all-deserted streets

My town ghost-like, an asylum.

 

Black-hooded men

Hovering across in dusty alleys only

My face is in the open.

 

Pretty archangel’s changed

He’s a demon now

Pouring acid down my veins.

 

Fountains of blood, unwashed

Shoot through leaking vessels

Green is its colour.

 

Turn around oh turn around

My sweet angel of the arches

I want my brother back.

 

 

(2009)

IM DICKICHT

DER NACHT

Ganz verloren in der erzspäten Zeit

Hier ist nur Raum für Ehrlichkeit

In diesem Jetzt wandeln Gedanken allein

Ach, würden sie endlich wieder rein!

 

Verklammert mit schwerer Wirklichkeit

's thront hier der König Vergangenheit

Schwarz wie Pech ein eherner Mann

Noch immer steh‘ ich in seinem Bann.

 

Verdrossen vom fernen Geplänkel

Über eine alte Tasse ohne Henkel

Über Nichts als Nichtse im ewigen Nichts

Im Auge des sklavischen Verzichts.

 

Verlassen von den allerliebsten Leuten

Nun ausgesetzt den heuchlerischen Meuten

Verschrickt der Verstand, gefriert's Blut

Versickert auch der allerletzte Mut.

 

Verloren im wirren Dickicht der Nacht

Habe ich das alles nur gedacht?

 

 

(2011)

IN THE THICKET

OF THE NIGHT

Totally lost in the arch-late time

Here is only room for honesty

In this now thoughts walk alone

Oh, if they would only become pure again.

 

Entangled with heavy reality

Here sits enthroned King Yesteryear

Black as pitch, an iron man

I am still under his spell.

 

Disgruntled by the distant banter

About an old cup without a handle

About nothing but nothings in the eternal nothing

In the eye of slavish sacrifice.

 

Left alone by the loveliest of people

Exposed to hypocrite packs

Reason gets terrified, blood freezes over

Oozes away the last bit of courage.

 

Lost in the tangled thicket of the night

Did I only imagine all that?

 

 

(2011)

NACHT PHANTOM

Undurchdringliche Schwärze steht still

Über den Dächern dieser Stadt

Finsternis die uns allen übel will

Frißt alle Heiterkeit von diesem Blatt.

 

Dunkelheit regiert in der Mitte der Nacht

Paart sich mit vornehmem Schweigen

Immer weiter verbreitet sich ihre Macht

Schreiten zusammen in einem sinistren Reigen.

 

Zypressensilhouetten werfen endlose Schatten

Weisen hoch zum sternlosen Himmelsdom

Zu hören nur das Scharren der Ratten

Oder vielleicht ist’s eher ein Nachtphantom?

 

Hier fliegen meine fedrigen Gedanken

Hier streben sie verzweifelt nach Licht

Doch sind sie immerfort im Wanken

Und ich krieg’ sie einfach nicht.

 

 

(Winter 2011)

NIGHT PHANTOM

Unfathomable blackness stands still

Above the roofs of this town

Murkiness, ill-disposed towards all of us

Eats all merriness off this sheet.

 

Darkness reigns in the middle of the night

Unites with noble silence

This power keeps gaining currency

Together they stride in a sinister roundel.

 

Silhouettes of cypresses throw endless shadows

Point up towards the starless dome of the sky

All that can be heard is the pawing of rats

Or maybe it is even a night phantom.

 

Here my loose thoughts are flying

Here they desperately strive towards the light

But they are continuously faltering

And I simply cannot catch them.

 

 

(Winter 2011)

BRÜSSELER
FRAGMENTE

(Sommernachtsregen)

Heut’ nacht weint der Himmel

Stetige Tränen in mein offenes Grab

Rauschende Tropfen der Sehnsucht

Schimmernde Perlen vergangener Zärtlichkeit

Klar wie reines Kristall.

 

In langen Fäden fall’n sie

In des trockenen Bodens Schacht.

Die Tränen des Himmels,

Die Tränen der Nacht.

 

Heut’ nacht weint der Himmel

Seinen Wolken geh’n die Zähren nie aus

Er weint um uns alle

Unser zerstückeltes liebes Leben

Und um Dich und um mich.

 

Dicht des Regens gläserner Schleier

Schwer des Firmaments wäss’rige Fracht.

Die Tränen des Himmels,

Die Tränen der Nacht.

​

 

(2011)

BRUSSELS
FRAGMENTS

(Summer Night Rain)

Tonight the skies are crying

Steady tears into my open grave

Roaring drops of desire

Scintillating pearls of past tenderness

Clear like pure crystal.

 

They fall in long threads,

Into the dry soil’s ditch.

The tears of the skies,

The tears of the night.

 

Tonight the skies are crying

Its clouds never run out of teardrops

It is weeping for all of us

Our piecemeal lovely life

And for you and for me.

 

So dense the vitreous veil,

Heavy the firmament’s watery freight.

The tears of the skies,

The tears of the night.

​

 

(2011)

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