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TREIBHOLZ 
-
DRIFTWOOD

SECTION XI

XI.1    Driftwood

XI.2    Gezeiten  -  Tides

X.3     Zeitreise  -   Time Voyage

X.4     Miniatur Eisenbahnland  -  Miniature Train Land

X.5     Ungeliebte Transitstadt  -  Unbeloved Transit Town

​

DRIFTWOOD

The shore’s covered in coarse sand

Pebbles, small, large, some rocks

Ever-changing colours in this land

Wearing brown, copper, carmine frocks.

 

Covered in algae, barnacles, moss

Salty water grinds them eternally

Each day tides give them a hard toss

Rounding the square, with certainty.

 

Here and there, driftwood has washed up

The ocean throws it out with force

‘Cause once the tree’s time is up

The journey ends its hazardous course.

 

Long devoid of blossoms, green leaf

Only parts remaining of the bark

Bereft of sap – its bloom was brief

Majestic yet at the end of its life’s arc.



(2022)

GEZEITEN

Der Mond trinkt das salzige Wasser

Er ist sehr durstig, Tag um Tag

Seine Sichel wird heller, dann blasser

Im Rhythmus, wie des Herzens Schlag.

 

Riffe liegen frei, wie monumentale Bänke

Von Pflanzen überwachsen, Ozean’s grüner Garten

Hier und da gespalten durch eine Senke

Schaumiges Wasser spritzt durch die Sparten.

 

Stetig füllt es der Meeresbeete Narben

Die Flut schwemmt allerhand Getier heran

Seevögel warten auf Muscheln in allen Farben

Fischchen, Krebse, und sie laben sich daran.

 

Der Mond gießt das salzige Wasser

Zurück in die roten Buchten, Tag um Tag

In jeder Minute wird das Gestein nasser

Dort, wo vor kurzem noch ein Felsenpark lag.

​

 

(2022)

TIDES

The moon drinks the salty water

It is thirsty, day after day

Its crescent becomes brighter, then paler

In a regular rhythm, like the heart’s beat.

 

Riffs lay bare, like monumental benches

Densely overgrown, ocean’s green garden

Here and there, split by a ditch

Foamy water sparkles through its clefts.

 

Steadily, it fills up the sea’s scars

Plenty of creatures are washed in by the tide

Sea birds are waiting for shellfish in all colours

Small fish, crabs, and they are feasting on it.

 

The moon pours the salty water

Back into the bays, day after day

Every minute they become wetter

There, where a rock garden lay a short time ago.



(2022)

ZEITREISE

(Bonn)

Vergangenheit harrt unter jeder Kastanie

Maigrün alle, sie blüh’n weiß und rot

Frisch glänzen Blätter in junger Glorie

Nichts wissen sie vom Winter, vom Tod.

 

Bilden zusammen ein mystisches Tor

Für die Reise in längst vergangene Jahre

Durch der Blüten üppigen Flor

Begleitet vom Gesang balzender Stare.

 

An jedem Ende steht ein barockes Schloß

Gelb, symmetrisch, mit vielen Räumen

Die Allee bevölkert von einem Menschentross

Sie alle wandeln unter diesen Bäumen.

 

Jeder hat eine Geschichte zu erzählen

Von sich, der Welt die er bewohnt

Eingeritzt in Stämmen wie in Totempfählen

Beschienen vom vollen Frühlingsmond.

 

Reich ist sie – die historische Allee

Voller Schnörkel, eleganter Jugendstilvillen

Bei manchen bleibt man auf einen Tee

So schön hier ein wenig zu chillen.

 

Am Ende der Allee fließt der Rhein

Ein Perpetuum Mobile der Zeit

Ewiger Strom – vor ihm steh’n wir allein

Wer gibt uns beim Überqueren Geleit?

 

(Mai 2023)

TIME VOYAGE

(Bonn)

The past is lurking under each chestnut

May-green – they are in bloom – white and red

Leaves shine freshly in youthful glory

They know nothing of winter, of death.

 

Together they form a mystical gateway

For the voyage into years long passed

Through the gauze of voluptuous blossoms

Accompanied by the chant of mating starlings.

 

At each end, there’s a baroque castle

Yellow, symmetrical, with many rooms

The avenue is populated by a mass of people

They all walk underneath these trees.

 

Each of them has stories to tell

About themselves, about the world they inhabit

Marked into tree trunks as on totem poles

Shone onto by the full spring moon.

 

It is rich – this historic boulevard -

Full of embellishments, elegant art nouveau villas

At some of them I stay for tea

Beautiful to chill here a bit.

 

At the end of the avenue the Rhine flows

A perpetual motion machine of time

Eternal stream – we face it alonet

Who will escort us across?



(May 2023)

MINIATUR-
EISENBAHNLAND

(Oberes Mittelrheintal)

Ein Miniatur-Eisenbahland ganz in echt

Schroffe Hügel mit gelbem Ginster bestückt

Ein silbriger Fluß, hier, da, ein Hecht

Ausflugsdampfer mit Lichterketten geschmückt.

 

Lastkähne beladen mit profanem Alltagsgut

Dazwischen Feuerwehr, Polizei und Autofähre

Wasserskifahrer – die haben ganz viel Mut -

Wellen schneiden’s Wasser wie ‘ne Schere.

 

Allerhand Züge für Personen, für Güter

Schlängeln sich an beiden Ufern entlang

Neben den Gleisen steh’n Kirchen als ihre Hüter

Fluß, Schiffe, Züge – sie sind alle lang.

 

Fachwerkhäuser – schief, Hunderte Jahre alt

Von Weinranken umwoben ist der ganze Ort

Echten und welchen aus Metall und Basalt

Alles vereint zu einem idyllischen Akkord.

 

Weiße Jugendstilvillen – direkt vor’m Rhein

Die Welt wirkt hier so rund, so heil

‘ne Seilbahn fährt über Hänge voller Wein

Zugewandt der Sonne Strahlen und steil.

 

Schon die alten Römer siedelten hier

Kultivierten dieses wilde kalte Land

Bauten ein Kastell als ihr Quartier

Solide – hielt allen Zeitenwenden stand.

​

Das Tal ist eng, Wasser glänzt wie Chrom

Auf nackten Felsen klettert eine Herde Ziegen

So schnell und regelmäßig fließt der Strom

Und zum Wasser führen rohe Stiegen.

 

Nicht weit von hier der Felsen der Loreley

Unsichtbar ist sie, doch omnipräsent

Der Sog ihres Liedes, schwer wie Blei

So bittersüß klingt ihr Instrument.

 

Schleifen, Kurven – viele hat der Fluß

Oft gibt’s riskante Strudel und Schnellen

Auf Felsenriffen war für viele Schiffe Schluß

Ein Spielzeug der Wellen an engen Stellen.

 

Weiter singt die Rheinische Sirene ihr Lied

Ihre ureigene Natur für die sie nichts kann

Obwohl sie selbst ganz oft davor flieht

Nicht entzieh’n kann sie sich ihrem eig’nen Bann.

 

(Mai 2023)

MINIATURE-TRAINLAND

(Rhine Gorge)

A real-world miniature train land

Rugged hills overgrown with gold flash broom

A silvery river, here, there, a pike

Pleasure steamers decorated with chains of light.

 

Barges loaded with everyday goods

In between fire brigade, police boats and car ferry

Water skiers – they have loads of courage -

Waves cut through the water like scissors.

 

Many trains – for people and for goods -

Meandering along both banks

Next to the tracks are churches as their guardians

River, ships, trains – they are all long.

 

Half-timber houses – lopsided, hundreds of years old -

The entire place is enveloped by vine tendrils

Real ones and some from metal and basalt

Everything unites in an idyllic chord.

​

White art nouveau-mansions – facing the Rhine

The world looks whole unhurt here

A cable car leads across slopes covered in vine

Facing the sun’s rays and steep.

 

The ancient Romans settled here already

They cultivated this wild, cold land

Constructed a castellum as their quarter

Solid – it withstood all turns of eras.

​

The valley is narrow, water shines like chrome

A herd of goats is climbing on naked rocks

So fast and regular flows the stream

A raw stairwell leads to the water.

 

Not far from here is the Loreley Rock

She is invisible, but omnipresent

The suction of her song heavy as lead

So bittersweet resounds her instrument.

​

Loops, curves – the river has many of them

Often there are hazardous swirls and rapids

Many a ship ended upon a rocky reef

They became a plaything of the waves at narrow places.

 

And the Rhenish Siren carries on singing her song

It’s her very nature she cannot help it

Even though she often flees from it

But she’s incapable of withstanding her own spell.

 

(May 2023)

UNGELIEBTE
TRANSITSTADT

(Düsseldorf)

Zum Glück wohn’ ich hier nicht mehr

Breite Strassen zieh’n sich wie’n Schlauch

Seilbrücken aus Kruppstahl, belegt mit Teer

Der Rhein ist grau und die Gebäude auch.

 

Sie nennen diesen faden Farbton ‘silber’

Die Leute, die hier zur Arbeit geh’n

Wohl weil er lässt sie denken ans Silber

Das sie hier raffen mit den Bull’n den Bär’n.

 

Der Börsen Tanz schwingt auf und nieder

Nach Büroschluss ist die Königsallee ‘s Parkett

Ins Glitzerreich strebt man immer wieder

Für angesagte Fetzen, Dessous, Eau de Toilette.

 

Citrusgelber Ferrari, ‘n Porsche in Apfelgrün

‘s blitzen grelle Autos, flach wie ‘ne Flunder

Die Straße ist der Bonusjäger große Bühn’

Ihre spindeldürren Frau’n kaufen hier Plunder.

 

Viele Möchtegerns und Gaffer sind hier auch

In den Winkeln der Kö-Galerie, auf den Brücken

Trinken Büchsenbier, halten sich den Bauch

Betrachten diese eitle Welt in kleinen Stücken.

 

Verloren hat sie in nur 30 kurzen Jahren

Viel Glanz und Zickigkeit, die Prachtavenue

Abklatsch ihrer selbst, wohin nun Touristen fahr’n

Taugt nur noch als Wandelhalle des Parvenü.

 

Nur’n Katzensprung von hier der Palast der Bank

Der, die einst die ganze Stadt dominierte

Dann in den Strudeln von Großmannssucht ertrank

Während sie nach immer größeren Profiten gierte.

 

Das eklektische Gebäude - Stadt in der Stadt -

Ein Denkmal der hemmungslosen Boom-Dekaden

Als man des fixen Geldrauschs nie wurde satt

Und heute teilen sich mehrere Firmen den Laden.

 

In Oberkassel sucht man nicht flugs das Weite

An seinen Ausläufern beugt der Rhein sein Knie

Das Party-Volk bleibt auf der anderen Seite

Dem Quartier erhalten - seine ursprüngliche Magie.

 

Das ‘Sassafras’ hat Patina, wie schon immer

Kontrapunkt zu rechtsrheinischen Yuppie-Bars

Sanfte Jazz-Balladen plätschern durch die Zimmer

Gegen das kakophone Gekreisch des Mammon-Bazars.

 

Zurück mit der U-Bahn durch der Stadt Tentakel

Die spiegelverglaste Wüste macht Besucher matt

Nie war dieser Ort Heimat, nur grosses Spektakel

Nichts weiter als eine Ungeliebte Transitstadt.

 

(Mai 2023)

UNBELOVED
TRANSIT TOWN

(Düsseldorf)

Fortunately, I don’t live here anymore

Broad streets drag on like hoses

Rope bridges made of Krupp steel, covered with tar

The Rhine is grey and the buildings, too.

 

They call this vapid hue ‘silver’:

The people who come to work here

Certainly because it makes them think of the silverlings

That they are grafting here with bulls 'n' bears.

 

The stock exchange’s dance is swinging up and down

After close of business the Königsallee becomes the floor

Acolytes gravitate towards the empire of glitter time and again

For trendy rags, dessous, eau de toilette.

 

Lemon-yellow Ferrari, a Porsche in apple-green

Flashy cars are blinking, all flat as a flounder

This street is the bonus hunters’ stage

Their skinny wives buy trumpery here.

​

Many wannabees and voyeurs are also here

Within the corners of the Kö-Galerie, upon the bridges

They drink canned beer and hold their bellies

Observe this vain world in small cutouts.

 

In only 30 short years it has lost

A lot of its shine and arrogance, the magnificient avenue

Its own caricature, a place visited by tourists now

Only useful as an arcade for parvenus.

​

Only a short hop from here the bank’s palace

The one that once dominated the entire town

Then drowned in the maelstrom of megalomania

Whilst it lusted for ever bigger profits.

 

The eclectic building - city within the city -

A monument to the unbridled boom decades

When people could never get enough of the fast money rush

And today several companies share the shop amongst each other.

 

In Oberkassel one does not get the urge to run quickly

At its outskirts, the Rhine bends its knee

Party-folk stays on the other side

The district has conserved its primal magic.

 

The ‘Sassafras’ has patina, as it always had

Counterpoint to the yuppie bars on the right bank of the Rhine

Gentle jazz-ballads ripple through the rooms

Against the mammon bazar’s cacophonic shriek.

 

Return by metro, crossing through the city’s tentacles

The mirror-glass desert triggers fatigue in visitors

This place was never home, just a big spectacle

Nothing more than an Unbeloved Transit Town.

 

(Mai 2023)

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