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MEINE WORTE

-

MY WORDS

SECTION XII

XII.1    Meine Worte  -  My Words

XII.2    Worteigentum  -  Word Ownership

XII.3    Die Alliierten Wörter  -  The Allied Words

XII.4    Eine Konservative Schreiberin  -  A Conservative Writer

XII.5    Words

XII.6    Von der Herzkranken Sorte  -  Of the Heart-Sick Sort

XII.7    Nachtblut  -  Night Blood

XII.8    Lebensweise  -  Song of Life

XII.9    Meine Einzigen Waffen  -   My Only Weapons

MEINE

WORTE

Meine Worte gehorchen mir nicht

Sie laufen mir einfach zu

Ich will sie nicht

Sie bedrängen mich machen

Sich breit in meinem Mund

Es hilft kein Würgen

Sie wälzen sich heraus

Verletzen andere und mich

Vorsätzlich.

​

​

(1984)

MY

WORDS

My words do not obey me

They just run up to me

I don’t want them

They pester me course

Through my mouth

Swallowing does not help

They roll out

Injure others and myself

On purpose.

​

​

(1984)

WORTEIGENTUM

Ich bin nicht die Eigentümerin meiner Worte.

Sie fliegen mir zu, heimatlose Fledermäuse, sie flattern aus,

Direkt in mein Herz, nagen an seinem Blut -

Nach Mitternacht endet jäh ihr Schlaf in den verborgenen Gewölben.

 

Ich will sie nicht.

Sie beherrschen mich, es velangt sie, genährt zu werden, mit der Substanz,

Sie verbreitern sich in meinem Mund, wachsen, verlangen Nahrung und Platz -

Nach Mitternacht fühlen sie den fruchtbaren Boden meiner Zunge.

 

Ich schmecke sie die ganze Zeit.

Sie sind erstaunlich weich, sanft gar, sie vereinen sich mit meinem Körper,

Federartige Baumwolle, weiße Seide, nur innen haben sie -

Nach Mitternacht Zinken, Widerhaken, Nadeln, verletzen mich vorsätzlich.

 

Ich versuche, sie hinaus zu würgen.

Sie lachen nur, schon haben sich ihre Klauen fest in meinem Fleisch verankert,

Sie vergiften meinen Speichel, lassen ihn sauer werden, ihn verfaulen -

Nach Mitternacht belagern sie mein Gehirn, ihre Höhle der Schwärze.

 

Ich seufze sie aus.

Auf unromantisches Papier. Sie werden begleitet von romantischer Musik,

Unleserliche Fetzen, Zeugen des inneren Chaos, eine Witwe zurücklassend -

Nach Mitternacht werden sie zu Tinte auf Papier, vergeudet.

 

Meine Worte, ich kann sie nicht erkennen.

Sie bestehen aus nichts als leeren Buchstaben, sie sind Zeichen, diktiert,

Von den gepeinigten Windungen einer grauen Masse -

Nach Mitternacht kriechen sie wie Gespenster aus dem Zinksarg des Tages.

 

Ich kann ihre Farben nicht sehen.

Sie erscheinen bunt, golden wie ein Klimt, doch sind sie nur,

Schwarz und weiß, engstirnige Dämonen der Dunkelheit -

Nach Mitternacht fürchten sie nicht mehr das Grelle des Tageslichts.

​

Ich tinte sie nur.

Sie sind bleiche Pflanzen, ungenießbar, unverdaulich,

Wachsen wie ein Krebs in der Mitte einer endlosen Sekunde -

Nach Mitternacht verflüssigen sie sich, fließen in einen tiefblauen Tränensee.

 

Eine Flut aus Tinte, auf unromantischem Papier.

Eine ärgerliche Pfütze, ich ertrinke in ihr -

Nur Papier ist sie – ich ertrink‘ in ihr dennoch.

Nach Mitternacht ist sie der Anker meines Ichs.

 

 

(1990)

​

WORD OWNERSHIP

I do not own my words.

They just come to me, homeless bats, flapping,

Directly into my heart, nibbling on its blood -

After midnight, their slumber in the hidden vaults suddenly ends.

 

I do not want them.

They domineer me, they demand to be alimented, with the substance,

They broaden in my mouth, grow, demand nutrition and space -

After midnight, they feel the fertile ground of my tongue.

 

I taste them all the time.

They are astonishingly soft, gentle even, they unite with my body,

Feathery muslin, white silk, just inside they have -

After midnight, prongs, hooks, needles, injure me on purpose.

 

I try to regurgitate them.

They laugh at me, their claws already firmly anchored inside my flesh,

They poison my saliva, let it sour and rot -

After midnight, they besiege my brain, their cave of blackness.

 

I sigh them out.

Upon unromantic paper, accompanied by romantic music,

Illegible shreds, witnesses of the interior chaos, leaving a widow -

After midnight, they become ink on paper, completely wasted.

 

My words, I cannot recognise them.

They consist of nothing but empty letters, token, dictated,

By the tormented turnings of a grey mass -

After midnight, they creep like ghosts out of the zinc coffin of the day.

 

I cannot see their colours.

They appear colourful, golden like a Klimt, but they are only,

Black and white, narrow-minded demons of darkness -

After midnight, they fear nothing more than the stridency of daylight.

​

I only ink them.

They are pale plants, inedible, undigestible,

Develop like a cancer in the midst of an endless second -

After midnight, they liquidise, flow into a deep blue lake of tears.

 

A flood of ink, upon unromantic paper.

An annoying puddle, I drown in it -

It’s only paper – still I drown in it.

After midnight, it is my ego’s anchor.

 

 

(1990)

​

DIE ALLIIERTEN WÖRTER

(Verbotene Liebesaffäre)

Zuerst ein neckisches „Warumnicht“

Leicht und gedankenlos

Galoppiert es durch’s freie Feld.

Darauf ein fröhlich wieherndes „Abersicher“

Lauernd und lange eingesperrt

Krallt es sich an den kleinen Bruder.

Auch ein leuchtendes „Jetztodernie“

Kreuzt ihren gemeinsamen Weg

Man verbündet sich.

 

Doch, da taucht unversehens ein bissiges „Wiedermal“

Zynische Spottlieder singend auf

Es verhöhnt die Geschwister.

Ein fragendes „Nichtnur“ springt ihm zur Seite

Warnend und klar

Wird es groß am Horizont.

Dahinter hisst ein überaus moralisches „Bloßnicht“

Seine Cholera-Flagge

Die Krankheit gelb ankündigend.

 

Ein friedliches „Sowohlalsauch“, unparteiisch

Weder grölend, noch laut, wittert das Unheil und schreitet

Waffenlos zwischen die sich Anfeindenden.

 

Die „Warumnichte“, „Abersichers“, „Jetztodernies“

Ziehen in die sinnlose Schlacht gegen

Die „Wiedermals“, die „Nichtnure“, „Bloßnichte“.

 

Die alte Fehde wird nun um so heftiger je mehr sich

Die Gegner aufmengen und

Sich zu sinnentleerten Fetzen verstümmeln.

​

Das „Warumnicht“ liegt verstümmelt da, als dummes „Warum“.

Dem „Abersicher“ kam das letzte Glied abhanden, es ist nun ein einsames Aber“

Das „Jetztodernie“ betrauert zwei vitale Teile, ist nun ein humpelndes „Nie“.

Das „Wiedermal“ verlor sein „Mal“, es gesellt sich zum „Nur“ des „Nichtnur“.

Ein behindertes „Wiedernur“ taucht auf.

Das „Bloßnicht“ - ist heil geblieben, aber angeschlagen – es kriecht außer Sichtweite. So bloß und nicht wie Nichts.

​

Das weiße „Sowohlalsauch“, beraubt seines Vorder- und Hinterteils, gafft in Zukunft nur noch dumm als „Als“.

​

(1991)

THE ALLIED WORDS

(Forbidden Love Affair) 

At first, a bantering ‘Whynot’

Light-hearted and thoughtless

Gallops through the field.

Thereon a merrily neighing ’Butcertainly'

Lurking and caged in for a long time

It claws at its little brother.

Also, a scintillating ’Nowornever'

Crosses their common path

They all unite.

 

But, suddenly, a snappy ’Yetagain‘

Singing cynical mocking songs turns up.

It lampoons the siblings.

A questioning ’Notonly‘ leaps to its defence

Warning and clear

It becomes large on the horizon.

Right behind it an exceedingly moral ’Absolutelynot‘

Hoists its cholera-flag

Announcing the illness in bright yellow.

 

A peaceful ‘Aswellas’, impartial

Neither bawling, nor noisy, smells the calamity and steps in

Unarmed, towards the adversaries.

 

The ’Whynots’, ‘Butcertainlys‘, ‘Nowornevers‘

Are going into a senseless battle against

The ‘Yetagains’, the ‘Notonlys‘, the ’Absolutelynots‘.

 

The old feud becomes more and more violent the more

The opponents antagonise each other and

Tear each other to shreds, bereft of meaning.

​

The ’Whynot‘ lies mutilated, as a dumb ’Why‘.

The ‘Butcertainly‘ has lost its last part, now it is but a lonesome ‘But’.

The ’Nowornever‘ mourns two vital parts, now it is reduced to a limping ’Never’.

The ’Yetagain‘ forfeited its ’Yet‘, it keeps the ‘Only’ from its ‘Notonly’ companion and a hobbling ‘Againonly’ emerges.

The ‘Absolutelynot‘ has remained intact, but is battered – it creeps out of sight. 

 

The moderate ’Aswellas‘, robbed of its torso, gapes stupidly at the future as ‘As’.

​

​

(1991)

EINE KONSERVATIVE
SCHREIBERIN

Ich schreibe so gerne

Ich liebe Papier

Facebook ist mir so ferne

Als lebte ich weder Jetzt noch Hier.


Da sind all die Worte

Die trag‘ ich herum

An alle möglichen Orte

Im Kopf geh’n sie Reih‘ um.


Sie brauchen ein Blatt:

‘ne Tastatur woll‘n sie nicht,

Tanz‘n lieber wild in ‘ner Kladd‘

Unordentlich ihr tintiges Gesicht.



(2009)

A CONSERVATIVE WRITER

I enjoy writing so much

I love paper

Facebook is so far from me

As if I lived neither Now nor Here.

 

There are all these words

I carry them around

To all sorts of places

They go around in my head.

 

They need a sheet:

Do not want a keyboard,

Prefer to dance wildly through a scrapbook

Messy is their inky face.

 

 

(2009)

​

WORDS

(λÏŒγος)

Words are mighty

Words are round

Make ’em lightly

Love their sound!

 

Words are magic

Words are fluid

Devoured they're tragic

Oh, they’re lucid!

 

Words are cruel

Words are sad

Serve life as fuel

Without I go mad!

 

Words are joyful

Words are strong

Play, they’re toyful

To me they do belong!

 

 

(2009)

VON DER
HERZKRANKEN SORTE

Abends hefte ich rhythmische Worte

An die weiten Schwingen der Nacht

Sie sind von der herzkranken Sorte

Über mein Leben haben sie große Macht.

 

Da fliegt er – der schillernde Phoenix

Mit meinen liebsten Träumen hinfort

Die Welt verliert er flugs des Blicks

Für ihn ist sie nichts als ein schnöder Ort.

 

Sein Weg führt ihn durch magische Länder

Er bereist den dichten Dschungel der Zeit

Nichts weiß er von der Menschen Kalender

In ihm wohnt weder Angst noch Eitelkeit.

 

Hoch steigt er: dem abendlichen Zenit entgegen

Streift meine Sonnen, ungezählte Planeten

Gleitet sanft durch den kosmischen Regen

Zieht dahin im Schweif eines Kometen.

 

Ganze zwei Dekaden schlief er als Denkmal

Ganz verstaubt und versteinert und spröde

Als einer launischen Jugend heimlicher Gral

Ohne ihn lebte ich sprunghaft und in Einöde.

 

Erzengel hat ihn mir zurückgegeben

Als sein verwunschenes Göttergeschenk

Immer weiter muß ich treiben’s Bestreben

Doch bin ich keine Poetin, nur ungelenk.

 

 

(2010)

OF THE
HEARTSICK SORT

In the evening I attach rhythmic words

Upon the wide wings of the night

They are of the heartsick sort

Over my life, they have great power.

 

There he is flying – the scintillating Phoenix

Henceforth with my fondest dreams

The world falls quickly from his view

For him, it is but a vile place.

 

His path leads him through magical countries

He voyages through the dense jungle of time

Nothing does he know about man's calendar

Within him resides neither anxiety nor vanity.

 

He flies high: towards the evening’s zenith

Touches on my suns, countless planets

Glides gently through the cosmic rain

Moves within a comet’s tail.

 

For as long as two decades he was asleep, a monument

Very dusty and fossilised und brittle

As a wayward youth’s secret grail

Without it I lived erratically, in a wasteland.

 

Archangel has returned it to me

As his enchanted gift of God

And I always have to keep up ambition

But I am no poetess, just maladroit.

 

 

(2010)

NACHT

BLUT

Nachts rinnt durch meine Adern blaues Blut

Oder grünes oder violettes.

Des nachts lodert darin rote Glut.

 

Nachts köchelt sie meine kälteste Wut

Oder heiße oder schwarze.

Des nachts speist sie meinen dünnen Mut.

 

Nachts ist er nicht mehr auf der täglichen Hut

Oder stündlichen oder verborgenen.

Des nachts erwächst daraus 'ne papierne Brut.

 

Nachts verspielt sie mein sanftes Gut

Oder lyrisches oder weißes.

Des nachts ertrinkt's in stetiger Tintenflut.

 

Nachts bin ich nackt und unbeschuht.

Nachts ist's meine Feder, die nie ruht.

Des nachts wird alles wieder gut.

Oder nichts oder gar nichts.

 

 

(2010)

NIGHT 

BLOOD

At night blue blood runs through my veins

Or green or purple.

By night red embers are blazing therein.

 

At night it simmers with my coldest rage

Or hot or black.

By night it nurtures my thin courage.

 

At night it is no longer on daily guard

Or hourly or hidden one.

By night a paper spawn grows from it.

 

At night it gambles away my gentle self

Or the lyrical or white one.

By night it drowns in a continuous flood of ink.

 

At night I am naked, without shoes.

At night it’s my quill that never rests.

By night everything will fall into place again.

Or nothing or nothing at all.

 

 

(2010)

LEBENSWEISE

Ich schreib' um mein Leben -

Steig' durch der Reime Streben

Nur so komm' ich dem Tod zuvor.

 

Ich schreib' um meine Träume -

Erkunde die inneren Räume

Nur so öffnet sich des Weges Tor.

 

Ich schreib' um meine Liebe -

Erleichter' mir Schicksal's Hiebe

Nur so dringt Musik an mein Ohr.

 

Ich schreib' um meine Sprache -

Werf' Poesie in Eurospeak's Lache

Nur so erklingt der Worte Chor.

 

Ich schreib' um meine Heimat -

Verschweiß' des Daseins erdige Naht

Nur so steht kein Unheil bevor.

 

Ich schreib' um mein Jetzt -

Sein will ich in diesem Hier zuletzt

Nur so entkomm' ich der Finsternis Moor.

 

Ich schreib' um mein Leben -

Bind' seine Fäden zu neuen Weben

Summ' nur für mich, ganz leise

Meine eig'ne sanfte Lebensweise.

 

 

(2011)

SONG OF LIFE

I write for my life -

Climb through the rhymes’ struts

The only way that I can preempt death.

 

I write for my dreams -

Explore the inner spaces

The only way to open the path’s gate.

 

I write for my love -

Alleviate destiny’s blows

The only way to have music resound in my ear.

 

I write for my language -

Throw poetry into Eurospeak’s puddle

Only in this way does the chorus of words resound.

 

I write for my home -

Weld existence's earthy seam

The only way to prevent calamity.

 

I write for my Now -

Last thing I want is being in this Here

The only way to escape the darkness’ swamp.

 

I write for my life -

Weave its threads into new webs

Hum just by myself, quietly

My own gentle Song of Life.

 

 

(2011)

MEINE

EINZIGEN

WAFFEN

Meine Worte sind meine einzigen Waffen

Und schon bald bringen sie mich zum Sieg

Vertreiben werden sie die Horde der Affen

Wie immer ich auch am felsigen Boden lieg.

 

Der Salzengel ist auf dem kalten Rückzug

Mit sanften Klängen vertreibe ich ihn

Der Wortengel setzt gleich an zum Flug

Alles ist ganz anders als es zuerst schien.

 

Mühsam durchquert er die trockene Wüste

Die der andere ihm als ödes Erbe hinterließ

Dort wo er seine längste Strafe verbüßte

Sammelt er die gold'nen Fäden für's Vlies.

 

Meine Worte bleiben meine einzigen Waffen

Und schon führe ich damit meinen Krieg

Gegen alle Spießer, Besserwisser, Laffen

Und dazu verzehr' ich 'ne Suite von Grieg.

 

 

(2012)

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MY

ONLY

WEAPONS

My words are my only weapons

And soon they will lead me to victory

Chase away the band of apes

Even though I am lying on rocky ground.

 

The salt angel is in cold retreat

With gentle sounds I am chasing him

The word angel is about to fly

Everything is totally different from how it appeared.

 

Arduously he traverses the dry desert

Which the other left him as barren heritage

There, where he served his longest sentence

He now collects the golden threads for the fleece.

 

My words remain my only weapons

And already I am waging my war with them

Against all petit bourgeois, wiseacres, flashy dudes

And with it I devour a suite by Grieg.

 

 

(2012)

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